KI und Patentrecht: Erfinder kann nur Mensch sein

Juni 26, 2025

Einleitung: KI trifft auf Patentrecht

Die Diskussion um künstliche Intelligenz (KI) im Patentrecht ist nicht neu, aber mit einem aktuellen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) hat sie in der Schweiz eine neue Klarheit erhalten. Ausgangspunkt war eine beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eingereichte Patentanmeldung, in der ein KI-System – DABUS – als Erfinder genannt wurde. Das IGE wies die Anmeldung zurück, weil nach geltendem Recht nur natürliche Personen als Erfinder in Betracht kommen. Der Fall gelangte vor das BVGer, das die Rechtslage nun ausführlich geprüft und bestätigt hat: KI kann kein Erfinder im Sinne des Patentrechts sein.

Diese Entscheidung wirft spannende Fragen auf: Welche Rolle spielt KI bei der Erfindungstätigkeit? Welche Risiken bestehen für Unternehmen? Und welche Handlungsspielräume ergeben sich im internationalen Kontext?

Erfindernennung im Schweizer Patentrecht

Das Schweizer Patentrecht knüpft den Erfinderbegriff klar an die natürliche Person. Bereits Art. 5 Abs. 1 PatG verlangt, dass der Patentbewerber den Erfinder schriftlich nennen muss. Art. 34 Abs. 1 PatV präzisiert, dass dies mit Namen, Vornamen und Wohnsitz zu geschehen hat.

Das BVGer bestätigte in seinem Urteil (B-2532/2024 vom 26. Juni 2025), dass eine Patentanmeldung ohne Erfindernennung nicht möglich ist und ein KI-System nicht als Erfinder eingetragen werden kann. Damit folgt die Schweiz der Linie anderer Jurisdiktionen wie der EU und den USA, die vergleichbare Anträge ebenfalls abgelehnt haben (vgl. EU AI Act).

Chancen und Risiken für Unternehmen

Die Entscheidung zeigt klar: Unternehmen, die KI in der Forschung einsetzen, müssen Erfindungen weiterhin menschlichen Personen zuordnen. Das eröffnet Chancen, aber auch rechtliche Risiken:

  • Chancen:
    KI kann als Werkzeug die Innovationskraft steigern, indem sie Muster erkennt, Lösungen generiert oder Prozesse beschleunigt. In der Praxis können Forscherinnen und Forscher durch den Einsatz von KI als „Miterfinder“ in Betracht kommen, sofern sie die KI trainieren, Daten bereitstellen und die Ergebnisse als schutzfähig erkennen.
  • Risiken:
    Werden Erfindungen fälschlicherweise allein einer KI zugeschrieben, droht die Zurückweisung der Patentanmeldung. Zudem können Unsicherheiten in der internationalen Patentstrategie entstehen, wenn einzelne Länder strengere Anforderungen an die Erfindernennung stellen.

Praxisbeispiel: Das Verfahren um DABUS

Im vorliegenden Fall hatte der Gesuchsteller geltend gemacht, die Erfindung sei „autonom durch eine künstliche Intelligenz generiert“ worden. Das IGE wies dies zurück und verlangte die Nennung einer natürlichen Person.

Das BVGer stellte fest, dass der Gesuchsteller beim Datenbereitstellen, Trainieren der KI sowie bei der Übergabe der Ergebnisse an seine Patentanwälte aktiv beteiligt war. Er habe die Lösungen nicht nur entgegengenommen, sondern auch als patentierbare Erfindung erkannt. Damit sei er ausreichend involviert gewesen, um als (Mit-)Erfinder qualifiziert zu werden. Die Beschwerde wurde daher im Subeventualantrag gutgeheissen.

Dieses Beispiel zeigt: Wer KI einsetzt, muss seine eigene Rolle im Innovationsprozess dokumentieren, um später als Erfinder anerkannt zu werden.

Internationale Perspektive und rechtlicher Rahmen

Die Frage, ob KI als Erfinder gelten kann, beschäftigt auch internationale Institutionen. Der Europarat verweist in seiner KI-Konvention
auf die Notwendigkeit, klare Verantwortlichkeiten beizubehalten. Der EU AI Act verfolgt dasselbe Ziel: Transparenz, menschliche Kontrolle und rechtliche Zurechenbarkeit.

Für die Schweiz bedeutet dies: Auch wenn KI-Systeme zunehmend selbstständig Lösungen generieren, bleibt die rechtliche Verantwortung beim Menschen. Unternehmen sollten ihre Innovationsprozesse daher so ausgestalten, dass menschliche Beiträge jederzeit dokumentiert und nachweisbar sind.

Fazit: Handlungsempfehlungen für die Praxis

Das BVGer hat unmissverständlich klargestellt: KI kann kein Erfinder sein – nur Menschen können Erfinderrechte beanspruchen. Für die Praxis bedeutet das:

  1. Dokumentation: Unternehmen sollten Beiträge im Umgang mit KI genau dokumentieren, um die Erfindernennung abzusichern.
  2. Strategie: Bei internationalen Patentanmeldungen ist eine einheitliche Argumentation erforderlich, um Zurückweisungen zu vermeiden.
  3. Risikomanagement: Wer KI in der Forschung einsetzt, muss klare Zuständigkeiten für die Erfindernennung definieren.

Der Ausblick: Es ist denkbar, dass Gesetzgeber langfristig neue Kategorien für KI-gestützte Innovationen schaffen. Bis dahin gilt: Der Mensch bleibt der rechtliche Erfinder.

Wir begleiten Unternehmen bei Fragen zur digitalen und nachhaltigen Zukunft.

Silvia Mathys

lic. iur. Senior Beraterin

lic. iur. Silvia Mathys hat 2004 ihr rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Basel abgeschlossen und war seither in verschiedenen Unternehmen, unter anderem in der Finanzbranche, der Industrie sowie im Technologiebereich, tätig. Sie spezialisierte sich auf die rechtliche Begleitung und Umsetzung im Bereich Datenschutz und Compliance. Neben ihrer Tätigkeit bei internationalen Konzernen bringt sie langjährige Erfahrung in der Beratung, Schulung und Implementierung datenschutzrechtlicher Vorgaben (inkl. DSGVO) mit. Zu ihren Stärken gehören ihre fundierte Fachkompetenz, ihre praxisorientierte Arbeitsweise sowie ihre breite Erfahrung im internationalen Umfeld.

Bruno Schnarwiler

Konsulent Informationssicherheit

Bruno Schnarwiler ist ein Experte in Wirtschaftsinformatik mit über 30 Jahren Erfahrung als Auditor, Projektmanager, Berater und Führungskraft. Mit Abschlüssen als Eidg. Dipl. Wirtschaftsinformatiker, CISA und ISO 27001 Lead Auditor verfügt er über Fachkenntnisse in Informationssicherheit, Krisen- und Risikomanagement sowie digitalen Archivierungslösungen. Er hatte Schlüsselrollen wie Leiter IT-Revision und Risikomanagement in einer Bank, Leiter Softwareentwicklung und Berater für Sicherheit. Diese Tätigkeiten gaben ihm umfassende Einblicke in Branchen und Prozesse. Er trägt zur Implementierung sicherer IT-Umgebungen, Optimierung interner Kontrollsysteme und Entwicklung nachhaltiger Lösungen bei, die moderne Anforderungen erfüllen.
Edith Luginbühl

Assistentin

Edith Luginbühl ist eine engagierte und erfahrene Assistentin mit über 50 Jahren Berufserfahrung. Ihre berufliche Laufbahn begann mit einer kaufmännischen Ausbildung bei einer Grossbank, und führte sie durch verschiedene Branchen, darunter die Gastronomie, Hotellerie, Autovermietung, Reisebüro, Zeitungsredaktion. Zu ihren Stärken zählen ihre freundliche und professionelle Art, ihre Zuverlässigkeit sowie ihr ausgeprägtes Auge für Details.

Alexander Wild begann 2019 sein rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Zürich. Vor und während seinem Studium konnte er bereits erste Erfahrungen in einer Compliance Abteilung einer Bank erlangen, arbeitete als IT-Supporter sowie in einer Legal Abteilung eines international tätigen Pharmaunternehmen. Seine Tätigkeiten umfassten unter anderem die Prüfung/Einhaltung von Bankweisungen, Sanktionen, Kunden und Länderrisiko; Beurteilung des generellen Kunden-Risikos für die Bank; Wet Ink Support sowie Support in der Prozessoptimierung von Vertragsunterzeichnungen. Seit 2022 arbeitet er als Anwaltsassistent bei der Balthasar Legal AG sowie LR | Rechtsanwälte. Sein Masterstudium wird er voraussichtlich 2025 abschliessen. 

Sebastian Andres

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Sebastian Andres begann 2019 sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich, wo er voraussichtlich 2026 den Masterabschluss erlangen wird. Erste praktische Erfahrungen sammelte er bei der Digt AG, wo er in der Vertragsgestaltung tätig war und daneben auch Aufgaben im Bereich Content Management übernahm. Bei der ADMG AG, bei der er seit 2024 arbeitet, erwarb er anschliessend vertiefte Kenntnisse in Zivil-, Verwaltungs-, Handels- und Wirtschaftsrecht. Seit 2025 ist er zudem bei der Balthasar Legal AG als Content Manager tätig.

Markus Bruggmann

MLaw Senior Berater

MLaw Markus Bruggmann hat 2013 sein rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Zürich abgeschlossen und war seitdem unter anderem bei einer Bank, einer Wirtschaftskanzlei und einer Versicherung tätig, wo er sich auf die Beratung sowie die Prüfung und Redaktion von Verträgen in den Bereichen des Kommunikations- und Technologierechts (Datenschutz) unter Berücksichtigung des Haftpflicht- und Immaterialgüterrechts spezialisierte. Zu seinen Stärken gehören seine analytischen Fähigkeiten und seine breite Erfahrung.